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EIN SELTSAMER WEIHNACHTSENGEL

Eine Geschichte von Hans-Heinrich Strube

Über der Tür zur Wohnstube meiner Eltern hing früher, als ich noch ein Kind war, ein Holzbrettchen mit Blumen darauf und einem Spruch.
Der hieß:

Spaß rund ums Weihnachtsfest gibt es bei www.weihnachten-im-web.de "Gastfreundlich zu sein vergesset nicht,
denn dadurch haben manche ohne ihr Wissen schon Engel beherbergt."
Und darunter stand ganz klein:
Hebräer 13, Vers 2.

Wir Kinder wussten damals nicht, was der Spruch zu bedeuten hatte, und wir machten uns auch keine Gedanken darüber. Wir wussten nur, dass er sehr alt war und schon bei unseren Großeltern über der Stubentür gehangen hatte. Erst heute, viele Jahre später, muss ich oft an eine Geschichte denken, die genau zu dem Spruch passt. Es ist die Geschichte vom seltsamen Weihnachtsengel, und ich will sie euch genau so erzählen, wie ich sie als Kind erlebt habe:

Spaß rund ums Weihnachtsfest gibt es bei www.weihnachten-im-web.de Es war am letzten Tag vor Weihnachten, am Heiligen Abend, kurz vor der Bescherung. Wir Kinder saßen um den großen Küchentisch unter der Lampe und würgten aufgeregt unsere letzten Bissen Brot herunter. "Erst wird gegessen", sagte Mutter, "und danach gehen wir in die Weihnachtsstube." So war es jedes Mal am Heiligen Abend, und immer wieder waren wir so aufgeregt, dass wir kaum essen konnten. Plötzlich klopfte jemand gegen die Haustür. Mutter sah auf Na wer kommt denn jetzt noch, so kurz vor der Bescherung?" sagte sie und ging zur Haustür. Draußen stand ein alter Mann, ein Landstreicher, wie es schien. Vater war gerade in die Weihnachtsstube gegangen.

"Ich will mal nachsehen, ob der Nikolaus schon fertig ist", hatte er gesagt; das tat er immer, bevor er uns hereinrief. Und nun kam dieser Fremde dazwischen. Er bat bescheiden darum, sich am Ofen etwas aufwärmen zu dürfen. Wir wussten genau, dass Mutter ihn niemals abweisen und mit uns zur Bescherung gehen würde. Sie würde ihn auch nicht allein in der Küche sitzen lassen. Das steigerte unsere Ungeduld. Und was wir befürchtet hatten, trat auch ein: Mutter ging in die Speisekammer, holte Brot und Wurst, bereitete dem Fremden ein Abendbrot und schenkte ihm heißen Glühwein ein. Spaß rund ums Weihnachtsfest gibt es bei www.weihnachten-im-web.de

Spaß rund ums Weihnachtsfest gibt es bei www.weihnachten-im-web.de "Lassen Sie es sich gut schmecken", sagte sie freundlich zu dem Alten. Der hatte inzwischen seine schneenasse Jacke ausgezogen, sie neben sich auf einem Stuhl gelegt, hatte sich mit dem Rücken gegen den warmen Kachelofen gelehnt und fing nun an, in Ruhe sein Abendessen zu verzehren. Mutter sah uns unsere Ungeduld an. "Es ist noch lange Abend, Kinder", sagte sie, "geht ruhig noch ein bisschen ins Kinderzimmer und spielt dort. Ich rufe euch, wenn es soweit ist." Aber zum Spielen hatten wir jetzt überhaupt keine Ruhe und auch keine Lust. Dann sahen wir schon lieber dem Landstreicher zu, wie er sich ab und zu seine roten Hände an der Hose abwischte, mit dem Taschenmesser langsam ein Stückchen nach dem anderen vom Brot abschnitt, es mit zittrigen Fingern in den fast zahnlosen Mund schob und gemächlich darauf herumkaute, bis es weich genug war, um es dann herunterzuschlucken.

Mutter schenkte ihm ein zweites Glas Glühwein ein, das er lächelnd und nickend entgegennahm, vorsichtig daran schlürfte und es vorsichtig neben sich auf den Ofensims stellte. Mutter setzte sich zu uns an den Tisch, nahm den Korb mit Stopfwäsche auf den Schoß und begann, ein Stück nach dem anderen zu untersuchen, hier einen Knopf anzunähen, dort ein Loch zuzustopfen oder einen Flicken aufzunähen. "Ich glaube, ich muss jetzt weiter", sagte der Fremde nach ungefähr einer halben Stunde, die uns wie drei Stunden vorgekommen war. Dabei schaute er auf die große weiße Küchenuhr über der Tür. "Wärmen Sie sich ruhig erst richtig auf", sagte Mutter, "Ihre Jacke ist ja noch ganz nass. Der Heilige Abend läuft uns nicht weg, und Sie stören uns durchaus nicht." Spaß rund ums Weihnachtsfest gibt es bei www.weihnachten-im-web.de

Spaß rund ums Weihnachtsfest gibt es bei www.weihnachten-im-web.de Draußen hatte es wieder stärker angefangen zu schneien. Aber nicht so, wie man sich ein weißes Winterschneegestöber vorstellt, nein, dicke, nasse Flocken wurden vom Tauwind gegen die Fenster geworfen und rutschten an der Scheibe herab, wobei sie sich langsam in Wasser auflösten. "So können Sie nicht hinaus auf die Straße", sagte Mutter, "Ihre Jacke ist ja noch nicht trocken und draußen regnet es mehr, als es schneit. Wenn Sie möchten, können Sie bei uns bleiben. Wir haben zwar kein Bett frei, aber auf dem Sofa hier in der Küche können Sie schlafen, hier stört Sie keiner."

Der Alte wehrte mit beiden Händen dankend ab. "Ich komme schon unter, ich hab da meine Plätze", sagte er und griff nach seiner halbtrockenen Jacke. Mutter half ihm hinein. Dann verabschiedete er sich. "Vergelt's Gott", sagte er, nickte noch einmal grüßend zu uns Kindern herüber und ging auf den Flur hinaus. Als die Haustür zufiel, sprangen wir erleichtert auf. "Gehen wir jetzt?" rief ich, aber Mutter hob die Hand. "Nicht zu stürmisch", mahnte sie, "erst muss Vater kommen und uns rufen." An Vater hatten wir gar nicht mehr gedacht. Er war in der Zwischenzeit im Stall gewesen, hatte den Kühen und Pferden noch etwas Futter vorgeworfen und nachgesehen, ob alle Türen von innen richtig verriegelt waren. Spaß rund ums Weihnachtsfest gibt es bei www.weihnachten-im-web.de

Spaß rund ums Weihnachtsfest gibt es bei www.weihnachten-im-web.de Aber dann war es doch endlich soweit. Die Tür zur Weihnachtsstube wurde geöffnet, und wir standen vor dem Lichterbaum, der wie in jedem Jahr wieder mit Engelshaar und Lametta überzogen war. Beim Singen schielten wir schon unter den Christbaum. Alle Geschenke waren mit einem Bettlaken zugedeckt. Man konnte nur vermuten, was darunter stand. Nach dem Singen las Vater - wie in jedem Jahr - die Weihnachtsgeschichte vor. Wir kannten sie beinahe auswendig, aber dennoch kam sie uns in jedem Jahr wieder neu vor. Sie schloss mit den Worten: "Die Hirten aber kehrten um und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten."

Nun durften wir auch sehen, was unter dem Laken versteckt war. Ich bekam eine Dampfmaschine, meine große Schwester einen Küchenherd mit Töpfen und Pfannen und meine kleine Schwester eine Puppe, die auf den Knien durch die Stube krabbeln konnte, wenn man sie aufzog. Den Alten in der nassen Jacke hatten wir längst vergessen. Nur als plötzlich ein kräftiger Windstoß um die Hausecke fegte und dicke kalte Tropfen gegen die Fensterscheiben schleuderte, da sagte unsere Mutter leise: "Wo er nun wohl sein mag? Ob er eine Unterkunft gefunden hat?" "Das hat er sicher", sagte Vater, "die kennen ihre Plätze." Das beruhigte uns. Spaß rund ums Weihnachtsfest gibt es bei www.weihnachten-im-web.de

Spaß rund ums Weihnachtsfest gibt es bei www.weihnachten-im-web.de Ich will jetzt nicht von diesem Heiligen Abend weitererzählen, sondern will ein Jahr überspringen. Wir saßen wieder in der Küche am Abendbrot-Tisch, genau wie im Jahr zuvor. Und als Mutter gerade den Tisch abräumen und Vater in die gute Stube gehen wollte, um nachzusehen, wie weit der Nikolaus inzwischen sei, da klopfte jemand an die Haustür. Wieder stand der Alte da mit seinen rotgefrorenen Händen, diesmal in einem langen dunkelgrauen Mantel, den ihm jemand mitleidig geschenkt hatte. "Unser Weihnachtsengel ist wieder da", rief Mutter und sah aus wie jemand, der unverhofft nach langer Zeit einen lieben Bekannten wiedersieht.

Alles wiederholte sich nun wie im letzten Jahr: das Brotemachen, das langsame Kauen, unser Warten, das Glühweintrinken und das bescheidene Verabschieden, denn er wollte auch diesmal nicht bleiben. Entweder fürchtete er, den Familienfrieden zu stören, oder er hatte überhaupt Angst, in festen Häusern oder sauberen Betten zu schlafen. "Wir haben uns alle gefreut, Sie wiederzusehen", sagte Mutter beim Abschied zu ihm, und das war keine bloße Redewendung, sondern ihre ehrliche Meinung. Dann wandte sie sich uns Kindern zu. "Ihr nicht?" fragte sie, "freut ihr euch nicht, dass er wiedergekommen ist? Es hat ihm gefallen bei uns, sonst wäre er nicht wiedergekommen." Wir nickten und es war uns, als sei diesmal unsere Ungeduld während seiner Anwesenheit lange nicht so groß gewesen wie im letzten Jahr. Spaß rund ums Weihnachtsfest gibt es bei www.weihnachten-im-web.de

Spaß rund ums Weihnachtsfest gibt es bei www.weihnachten-im-web.de So ging es weiter, drei oder vier oder gar fünf Jahre lang. Jedes Mal am Abend vor Weihnachten saß der Alte in unserer Küche am Ofen, wärmte sich, aß sich satt und trank seinen Glühwein. Er erzählte uns nie, woher er käme oder wohin er ginge. Vielleicht wusste er das selbst nicht so recht. Er wusste nur, dass er an jedem 24. Dezember gegen Abend bei uns einkehren durfte. So gehörte er allmählich mit zur Familie, jedenfalls zur Weihnachtsfamilie.

Und dann geschah es, dass wir wieder einmal um den Tisch saßen, um das Abendbrot vor dem großen Fest zu essen. Wir waren älter geworden und darum auch nicht mehr ganz so neugierig und ungeduldig wie früher. Mutter war gerade dabei, den Glühwein einzuschenken, da sagte meine kleine Schwester plötzlich: "Kommt er diesmal nicht?" Wir sahen uns an und hatten alle das gleiche Bild vor Augen: den Alten am Ofen, die nasse Jacke neben sich und auf den Knien den Teller mit den Mettwurstbroten. Spaß rund ums Weihnachtsfest gibt es bei www.weihnachten-im-web.de

Spaß rund ums Weihnachtsfest gibt es bei www.weihnachten-im-web.de Und wir alle wurden ein bisschen nachdenklich, nicht lange, nur Augenblicke, aber in diesen Augenblicken wurde uns allen bewusst, dass er uns fehlt. "Vielleicht kommt er noch", sagte Vater und schnitt sich ein Stück Brot ab. "Wir gehen aber nicht in die Weihnachtsstube, bevor er dagewesen ist", meinte meine kleine Schwester, "sonst denkt er noch, er darf nicht mehr rein zu uns." "Ja, wir warten noch", sagte Vater, und das Warten fiel uns Kindern gar nicht mehr schwer. So saßen wir beinahe eine Stunde lang unter der Lampe um den Tisch, tranken von unserem Glühwein und horchten auf jeden Laut, der von draußen kam.

Aber der Alte kam nicht. Wir gingen in die Weihnachts-Stube, sangen, hörten die Weihnachtsgeschichte und zeigten uns gegenseitig unsere Geschenke. Doch etwas fehlte an der Weihnachtsfreude, das spürte jeder von uns. Und als Mutter mit mir und meiner kleinen Schwester und mit dem leeren Glühweintopf noch einmal in die Küche ging, um Glühwein nachzuschenken, da schauten wir alle drei zum Sessel neben dem Ofen, und Mutter sagte: "Kinder, unser Weihnachtsengel fehlt." Spaß rund ums Weihnachtsfest gibt es bei www.weihnachten-im-web.de

Spaß rund ums Weihnachtsfest gibt es bei www.weihnachten-im-web.de Keiner von uns sagte etwas. "Ja", fuhr Mutter fort, "manchmal haben Menschen schon Engel beherbergt, ohne es zu wissen." Mir saß ein seltsamer Kloß im Hals und ich glaube, meiner Schwester auch: Den Alten habe ich nie wieder gesehen. Ich weiß nicht, ob er inzwischen am Ziel seines langen Landstreicherlebens angekommen war. Aber dass er für uns ein Engel war, ein Engel im dicken schneenassen Mantel und mit frostroten Händen, daran habe ich bis heute nicht gezweifelt.

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